Sonntag, 22. März 2020

Woche 23-30 - Februar und März im Kloster

Nun habe ich mich endlich wieder hingesetzt, um meinen Blog weiterzuschreiben. In den letzten Wochen ist bekannter Weise einiges passiert, was auch das Leben in Sant’Anselmo betrifft. Ende Februar wurden die ersten Covid-19-Fälle in Italien entdeckt. Hier in Rom merkte man, dass der Tourismus langsam zurückging, Einschränkungen des öffentlichen Lebens oder gar „rote Zonen“ wurden jedoch zunächst nur im Norden Italiens eingeführt. Seit dem 11. März darf auch in Rom das Haus nur noch zum Einkaufen, für Arztbesuche oder um arbeiten zu gehen, verlassen werden. Auch Spaziergänge oder Joggen ist noch erlaubt, aber nur in der Nähe der Wohnung und nicht in Gruppen. Sobald man das Haus verlässt, muss ein „Passierschein“ mitgeführt werden. Diesen  füllt man selbst aus und muss der Polizei vorgezeigt werden. Es drohen Geld- und Gefängnisstrafen bei Nichtbefolgung.
Für die Hausbewohner von Sant’Anselmo gelten strengere Regeln. Da in der Gemeinschaft das Ansteckungsrisiko zu groß ist, dürfen wir das Klostergelände nicht verlassen. Im Chorgestühl und im Refektorium (Speisesaal) sitzen wir seit zwei Wochen nun mit größerem Abstand. Wem Zahnpasta, Duschgel etc. ausgeht, kann beim Cellerar kostenlos einkaufen. Medikamente und andere notwendige Dinge können bei P. Geraldo bestellt werden. Wer zum Friseur möchte, kann sich bei P. Marion melden.
Ich vermisse den Caffè, das Eis, die Pizzen, die Möglichkeit einfach spazieren zu gehen und in Rom Dinge zu entdecken. Aber mir geht es gut und hier im Kloster vermutlich deutlich besser als anderen Römern, die in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung sitzen und nicht in einem großen Garten die Sonne genießen können oder die Kinder, die zu Hause bleiben müssen und nicht die Möglichkeit haben, dreimal die Woche Fußball spielen zu können. So kann ich es gut verstehen, dass bei unserem Fußballspiel gestern ein Nachbar wütend wurde und mit der Polizei drohte.
Auch in Rom fallen alle öffentlichen Gottesdienste aus. Die Kirchen dürfen aber geöffnet bleiben. Die Hochfeste der letzten Tage - Hl. Josef und den Todestag d. hl. Benedikt - und den heutigen Laetare-Sonntag feierten wir nur mit der Hausgemeinschaft.
Soweit der aktuelle Stand der Dinge. Bis 3. April dauert dieser Ausnahmezustand in Rom noch. Der Ministerpräsident hat jedoch eine mögliche Verlängerung schon angekündigt.

Was ich vor der „Quarantäne“ erlebt habe:
Die letzten Wochen waren trotz Spül- und Pfortendienst, die natürlich immer auf dem Plan stehen, eher ruhig und entspannt. Auch die Fußballsaison auf dem „Acker“ hinter Sant’Anselmo hat wieder begonnen. Anfang Februar nutzte ich meinen freien Tag für einen Ausflug nach Orvieto, einem kleinen Ort, 1,5h nördlich von Rom. Mit der Seilbahn erreichten wir die auf einem Plateau gelegene mittelalterliche Altstadt. Die Besichtigung des Domes im „Zebramuster“ (Pilgereingang auf der linken Seite) und der „Pozzo di San Patrizio“, ein im 16. Jahrhundert gebauter Brunnenschacht lohnen sich. Über die in einer Doppelhelix verlaufenden Auf- und Abstiege wurde mit Eseln Wasser nach oben transportiert.
Die restaurierten Stühle (fleißige Blogleser erinnern sich) sind nun lackiert und bereit für die zahlreichen Hochzeiten, die ab April hier hätten stattfinden sollen, jetzt aber nun verschoben werden müssen. Dank dem Sakristan P. Filipe weiß ich nun, wie Kerzen auf die gleiche Größe gebracht werden können und wie sich Leuchter ganz leicht von Kerzenwachs befreien lassen: Mit Bügeleisen und Haarföhn. Am 15. Februar wurden in Sant’Anselmo zwei Benediktiner aus Kenia und den USA zu Diakonen geweiht.
Mitte Februar nutzte meine Familie die Schulferien für eine Reise nach Rom. Wir besuchten u. a. die jeden Mittwoch stattfindende päpstliche Generalaudienz. Im Winter findet diese in der Audienzhalle statt, die 6500 Sitzplätzen fasst. Nach einer Andacht, einer Predigt zu den Seligpreisungen, die in acht Sprachen übersetzt wurde, dem Vater Unser auf Latein und dem päpstlichen Segen, begrüßte Papst Franziskus die an der Absperrung stehenden Gäste persönlich. Kinder durften in die erste Reihe und so konnten meine jüngeren Geschwister dem Papst sogar die Hand schütteln.
Am Faschingsdienstag gab es nach dem Abendessen eine kleine Feier mit amüsanten Einlagen der Hausbewohner. So gab z. B. der Vizeprior, der aus Argentinien stammt, „Don’t cry for me Argentina“ zum Besten.
Traditionell besucht am Aschermittwoch der Papst den Aventin. Dieser Stationsgottesdienst beginnt in Sant’Anselmo mit einer Prozession nach Santa Sabina. Wer die großen Einzüge zu päpstlichen Gottesdiensten kennt, wurde hier überrascht. Insgesamt war die Messe sehr schlicht gehalten und a capella begleitet. In Albe durften wir Volontäre in der Prozession mitgehen. Welche Kräfte ein päpstlicher Besuch auslösen kann, zeigte sich an der Geschwindigkeit der vorausgehenden Arbeiten. So wurde innerhalb von zwei Tagen die Baustelle im Eingangsbereich von Sant’Anselmo beendet und der Garten hergerichtet. 
 
Die erste Hälfte meiner Klosterzeit ist schon vorbei. Ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden habe ein ganzes Jahr in Rom zu verbringen, da ich erst jetzt die Stadt und das römische Leben richtig kenne. Ich hoffe, dass es euch trotz den Einschränkungen, die wir nun alle erleben gut geht. Bleibt gesund und passt auf euch auf.